Simmern-Rheinböllen
Bolivienkleidersammlung weist auf zahlreiche Problemlagen hin
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11 Monaten agoon
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Redaktion
SIMMERN Auch wenn die Kleidersammlung eine Tradition im Hunsrück hat, ist sie nicht selbstverständlich. Immer wieder ergeben sich neue Erkenntnisse und Erfahrungen.
So gab es einen Austausch mit Hermann Bischof, dem langjährigen Ansprechpartner bei der Firma Striebel. Der Familienbetrieb ist Kooperationspartner mit Fairtrade-Siegel der Bolivienkleidersammlung. Bischof ist begeistert vom „super Ergebnis“ im Netzwerk P4, der Region Rhein-Hunsrück-Nahe, mit fast 80 Tonnen.

Im Dekanat Simmern-Kastellaun kamen 15.840 kg Kleiderspenden zusammen. Für ihn war der ungewohnte Termin, an Rhein und Nahe auch mitten in der Weinlese, ein Faktor der zu Bedenken ist.
Zum Glück spielte das Wetter mit. Bischof freut sich über die Zusammenarbeit, wenn er mit „hochmotiviertem Personal an den Ladestellen“ Kontakt hat.
Für Unterhaltung und Bewegung sorgt oft die morgendliche Suche nach den LKW, wenn sie die Verladestation nicht gefunden haben. Es herrscht großes Verständnis für die Familienväter, die mit ihrem Arbeitsplatz und zweiten Zuhause so lange unterwegs sind. Einige Ehrenamtliche waren auch betroffen von den Lebensbedingungen der LKW-Fahrer. Immer weniger Fahrer stehen zur Verfügung, die Arbeitsbelastungen nehmen zu. Einige sind sehr zurückgezogen, beherrschen weder die deutsche Sprache noch kaum die englische Sprache. Sie müssen sich mit Google Translator zu helfen wissen. Während früher oft über Jahre die gleichen Fahrer aus den Niederlanden da waren, die sich auch zu den Ehrenamtlichen im Zelt der Malteser mit Essen und Getränken gesellten und das Gespräch suchten, sind inzwischen die Fahrer immer erschöpfter, zurückgezogener, unsicherer und wirken sehr auf sich alleine gestellt.

Da das Spendenaufkommen auch geringer geworden ist, beziehungsweise in Simmern oder Rheinböllen zusätzlich zu Kirchberg verladen wird, sind die Fahrer auch nicht mehr zu zweit vor Ort, was es ihnen auch erschwert. Kastellaun kennt dies gar nicht anders. Doch Hermann Bischof weiß zu berichten: „Viele Fahrer lieben diese Touren am Samstag zu den Sammelaktionen. Hier gibt es immer rege Unterhaltung und Austausch mit den jungen und junggebliebenen Sammlern, guten Kaffee, Brötchen und vieles mehr. Da ist für die Fahrer eine willkommene Abwechslung zum Alltag, für all die vielen Stunden allein im Führerhaus. Da wird auch über „Eingemachtes“ gesprochen, wie der Zustand der Straßen, Ladungssicherung, Lenkzeiten, die veränderte Technik. Für einige Mithelfer gibt es auch den ersten Blick ins hochmoderne „Cockpit“.“
Die Bolivienkleidersammlung bietet viele Einblicke und Erfahrungsmöglichkeiten. Doch immer weniger Helfer sind Jugendliche, die über einige Jahre dabei sind. Elternhäuser scheinen das Engagement weniger zu fordern und zu fördern. Da bleibt man lieber länger liegen oder zockt eine Runde. Andere gehen arbeiten oder müssen für die Schule büffeln, wenn andere Freizeitaktivitäten auch noch Zeit finden sollen. Hier spiegelt sich eine gesellschaftliche Veränderung.

So waren die jungen Helfer schwer geplättet, nachdem sie mit 128 Säcke aus einem Bekleidungsgeschäft zur Verladestelle kamen. Das Geschäft hat schon seit einigen Jahren geschlossen und hat nun seine noch neue Ware gespendet. Überrascht von der Markenware, die sie da eintüten durften, nahmen sie das Treppenlaufen gerne in Kauf. Bischof ergänzt dies durch die Eindrücke, die Jugendliche gewinnen, wenn sie an der Sortierung teilnehmen. „Obwohl Sie beim Verladen schon viel vom Inhalt gesehen haben, sind Sie immer wieder erststaunt, was Sie zu sehen bekommen, wenn erst einmal die Tüte in der Sortierung geöffnet wird. Eine Gruppe aus der Region Würzburg sammelte am Samstag und war am darauffolgenden am Montag zu Gast in Langenenslingen. Das Sammelgut durchlief gerade den Sortierprozess als die Gruppe in der Vorsortierung unterwegs war. Einer der Teilnehmer erkannte seine Tüte wieder, die er am Samstag zuvor gespendet hatte. Große Augen gibt es bei den Besuchern, wenn zum Beispiel Markenstücke von Gucci, Luis Vuitton, Hugo Boss etc. auftauchen. Am Sortiertisch der Unterwäsche gibt es beim Präsentieren diverser Exponate immer viele gute Beiträge.“

Viele Kleidersammlergruppen unternehmen immer wieder eine Ausfahrt zu den Sortierbetrieben. (Rotterdam oder Langenenslingen) und sind ganz begeistert von der Vielfalt an Informationen und Erkenntnissen, aber auch der Gastfreundschaft des Familienbetriebes.
„Auch Handy’s und Jacken fanden, die beim Verladen verloren, den Besitzer wieder. Das ist aber fast wie ein „sechser“ in der Lotterie.“ , erzählt Bischof. Darauf hatten die Jugendlichen in Kirchberg in der Vergangenheit nicht gebaut und lieber gleich alles ausgeräumt, um das teure neue Handy zu finden.

Clemens Fey, Diakon für Jugendarbeit, ist mit der Kleidersammlung von Beginn an vertraut. Zwischenzeitlich hat er mit einigen Gruppen schon die Sortierbetriebe besucht. Aber auch selbst das Zwischenlager geräumt und Ware im Laufe des Jahres dorthin gebracht. So schätzt er auch, dass sich die zwei Fahrten zwischendurch spürbar auf das Sammelergebnis auswirken. Aber auch die Rückmeldungen der Fahrer aus den Dörfern waren hilfreich, um das Ergebnis einschätzen zu können.
Viele beklagten, dass in den Gemeinden nicht informiert wurde über die Sammlung. Auch konnten nicht überall Säcke verteilt werden, da langjährige Helfer dies nicht mehr übernahmen. Es gab die Rückmeldung, wenn der jenige, der die Säcke verteilt, persönlich im Dorf bekannt ist, erhöht das die Spendenbereitschaft. Wünschenswert ist hierbei, dass alle Verbands- und Ortsbürgermeister den Informationsfluss unterstützen. Aber auch auf kommerzielle Kleidercontainer im Ort verzichten.
Doch ganz offensichtlich: es fehlt der kontinuierlich oder über Jahre gewachsene Helferstamm, der durch Corona weggebrochen ist. Velfach muss ein Neuaufbau erfolgen. Die THW- Jugend unterstützt zum Glück seit einigen Jahren die Sammlung vor allem im „Biebertal“.
Eltern müssen unterstützen, dass die Jugendlichen helfen, zu packen lernen und schaffen lernen. Immer mehr Ausbildungsbetriebe beklagen, dass die Jugendlichen das nicht mehr können.
Auch ehrenamtliche Fahrer müssen gefunden werden. Unterschiedliche Firmen wie Fenstras stellen gerne die Fahrzeuge, aber es braucht auch ausreichend Fahrer. So wie Albert Wust, der Seniorchef fährt einfach selber und verliert so nicht den Kontakt zur Jugend im Unruhestand. Der ehemalige Busfahrer, der nach über 30 Jahren genau weiß, wohin er überall fahren muss. Oder der Chef von Blümling fährt einfach mal selbst. Ein Dorf wie Mengerschied wird auch mal später abgesammelt- kein sack soll vergessen werden. Werner Wagner weiß über die VG Kastellaun zu berichten, dass „aus den Dörfern weniger Spenden und auch weniger Helfer dabei waren. Es war ein sehr motiviertes Team und guter Ablauf, auch eine gute Organisation von der Fachstelle aus.“ So dass er rundum zufrieden ist. Rheinböllen freute sich, dass in diesem Jahr auch viele Firmlinge geholfen haben. „,So ca. 10 – 12 zu meist bei den Fahrzeugen und ein paar auch in Simmern an der Verladestation. Gesammelt wurde in diesem Jahr ein bisschen weniger als sonst. Insgesamt war es wieder eine gelungene Aktion.“, berichtet Ursula Baumgarten, die ehrenamtlich Verantwortliche aus Rheinböllen.
Es gibt Dörfer in denen man darauf verzichtet hatte, Säcke zu verteilen, weil sie im Laufe der Jahre kaum Kleider gespendet haben Dörfer wie Wahlenau, Dill und Dillendorf, Schwarzen und Sohrschied. Hier stellt sich die Frage, ob man das ändern kann oder ändern möchte.
Hermann Bischof berichtet dazu: „Sehr großen Respekt habe ich vor den ich den Jugendlichen (fast Jugendlichen), die Säcke austeilen, Einsammeln, Verladen etc. oder das Sammelgut
bei miserablem Wetter direkt nach Langenenslingen karren. Nicht zu unterschätzen ist, wenn die Nacht der Helfer zum Sammeltag sehr kurz war und trotzdem mit viel Leidenschaft geschuftet wird.“ Diese Jugendlichen und Ehrenamtlichen ebenso wie die Firmen, die Fahrzeuge zur Verfügung stellen, gilt es im Blick zu halten und sich über ihr Engagement zu freuen, bei allem was nicht mehr so rund läuft. Sie helfen mit ihren Händen, dass Jugendliche in Bolivien Schulunterricht besuchen und eine Ausbildung machen können. Etwas, das hier selbstverständlich ist und aus Lehrersicht oft zu wenig ernstgenommen und wertgeschätzt wird.
Aktuell plant die Jugendarbeit im Frühjahr wieder einen 2nd Hemd&Hose Markt in Zusammenarbeit mit Firma Striebel auf dem Flughafen Hahn umzusetzen. Der nächste Termin der Bolivienkleidersammlung in 2023 steht noch nicht fest. Kleidersäcke können zwischendruch aber abgegeben werden und müssen nicht einer kommerziellen Sammlung zugeführt werden.
Ansprechpartner sind hierfür die Hauptamtlichen Kräfte der Jugendarbeit in den Pfarreiengemeinschaften und Clemens Fey für das Dekanat. Per email erreichbar: dekanat.simmern-jugend@t-online.de
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